Herzlich Willkommen

 

Sehr geehrter Herr Hauboldt, Bürgermeister der Stadt Sömmerda, Frau Vorphal Fachberaterin erzieherische Hilfen Abt. Landesjugendamt  vom Thüringer Ministerium für Bildung, Jugend und Sport, ein Willkommen der verschiedenen Jugendämter, besonders unserem örtlichen Jugendamt Frau Gautsch und Frau Ermich, mit denen wir so vertrauensvoll zusammenarbeiten, liebe Ehrengäste aber vor allem auch für unsere Mitglieder, die uns als Vorstand den Rücken stärken und natürlich einen großen Dank für die Gastfreundschaft hier im „Alten Gutshaus“ Tunzenhausen.

 

Eigentlich sollte ich nicht hier stehen !!

 

Hier stand sonst immer eine starke, voranschreitende, manchmal unbequeme, immer ehrliche, wie eine Löwin kämpfende Frau am Pult, immer mit dem Fokus auf die uns anvertrauten Kinder und deren Belange, ihrer Rechte und Beheimatung in unseren Pflegefamilien.

Aber auch immer mit gegenseitiger Achtung und Respekt.

 

Ich habe lieber im Hintergrund agiert, das war mein Wohlfühlplatz über 20 Jahre an der Seite von Vera Schade und das hat hervorragend funktioniert.

 

Gerade eben, bevor ich hier ans Rednerpult gekommen bin, hat mir dieser, zur Tradition gehörende Handschlag und der Satz – Alles wird gut – sehr gefehlt. 

 

Wir vom Verband haben lange überlegt, ob wir diese Feierstunde durchführen, wie wir das machen und ob wir die Kraft im Moment dazu haben.

 

Aber Vera würde von ihrer Wolke herunterrufen, so wie sie es auch im Leben gemacht hat:

      “ WIR SCHAFFEN DAS; HABEN ES IMMER

         GESCHAFFT“

Also stehe ich hier und begrüße Sie alle recht herzlich zu dieser abgeänderten Veranstaltung und habe wirklich ein gutes Gefühl dabei.

 

 

30 Jahre LV, was für eine Zahl.

 

Pflegeeltern schlossen sich zusammen, um gemeinsam diese verantwortungsvolle Arbeit zu meistern. Gemeinsam zu lernen, Erfahrungsberichte auswerten und gemeinsam nach Lösungen bzw. Konzepte zu suchen.

Sich gegenseitig zu helfen aber auch eine Stimme für die uns anvertrauten Kinder zu sein.

 

Der Landesverband der Pflege- und Adoptivfamilien Thüringen e.V. wurde daher in Gera gegründet.

Auf der Grundlage seiner Satzung ist er als gemeinnütziger Verband anerkannt.

 

Aber diese Anerkennung gab es nicht von allen Institutionen sofort. Hart mussten wir gegen die Meinung : “Jetzt kommt der Hausfrauenverein“ ankämpfen. Viele von unseren älteren, erfahrenen Pflegefamilien werden diese Äußerungen noch im Ohr haben.  

Jetzt, viele Jahre danach kann man ja schmunzeln und sich immer wieder sagen,

dieser belächelte Verband hat ganz schön viel erreicht.

Ziemlich holprig, unerfahren, jedoch auch willensstark und immer das Wohl des Kindes im Auge, so startete der LVerband.

Diese änderte sich mit der großen Fachlichkeit der späteren Vorsitzenden Frau Koppe und nahm richtig Fahrt mit Frau Schade und ihrem jahrelangen Vorsitz auf.

 

Ich kann gar nicht aufzählen in wieviel Arbeitsgruppen wir gesessen haben, wieviel Gespräche wir in den Jugendämtern hatten (mit einem Augenzwinkern kann ich bestimmt sagen --- Ich denke manche Jugendämter erinnern sich ganz genau an uns), wieviel Stellungnahmen wir zu Fachthemen oder fürs Gericht schrieben, wieviel Minister wir gesprochen, aber auch verärgerten, dass man uns immer wieder vorwarf, wir würden nur auf das Geld schauen als wir um die Erhöhung der Erziehungspauschale kämpften.

11 Jahre mussten wir in Thüringen mit einer Steigerung von 190 auf 195 € auskommen und dann hat es nochmal 4 Jahre gedauert, bis wir an den Deutschen Verein, wie viele andere Bundesländer, Anschluss gefunden haben. Um nur ein Beispiel von Ausdauer zu nennen.

Aber auch, dass überhaupt ein kleiner Teil für Unfall- und Rentenversicherungsbeiträge gezahlt wird, war hart erkämpft.

Natürlich war auch Ausdauer und enorme Anstrengung bei der Arbeit in der AGENDA Pflegekinder auf Bundesebene erforderlich.

Aber allein der Spaß beim Reisen mit Vera nach Berlin in den Bundestag zum runden Tisch „Pflegekinderhilfe in Einklang mit Pflegefamilien?“, nach Wesel zu den AGENDA Treffen, an die Nordsee, um an Tagungen vom Kinderschutz teilzunehmen oder nach Berlin zu Henrike Hopp, Betreiberin von Moses online und den damit verbundenen Erfolg, den wir als gemeinsam auftretende Verbände hatten, war es wert, diese Wochenenden zu investieren.

 

Eine Ausdauer, die wir oft Vera zu verdanken hatten.

 

Wehe sie hatte sich in ein Thema festgebissen, dass wissen alle hier im Raum, dann gab es nur ein Zurück, wenn es völlig aussichtslos war.

War nur ein Schimmer am Ende des Tunnels zu sehen, dann war immer Hoffnung für sie da.

Nur so konnten wir Projekte erfolgreich beenden, die oft mehr als 5 Jahre gedauert haben.

 

Kindern eine Zukunft geben - das ist das arbeitsübergreifende Motto unseres Landesverbandes der Pflege- und Adoptivfamilien.

Alle Fortbildungen, Krisengespräche, Gespräche in den Jugendämtern u.v.m. drehen sich um diesen Leitspruch, also um das Kindeswohl.

 

Unser Ziel ist es, den Fokus auf die überregionalen Schulungen und Beratungen um einheitliche Standards und Erläuterungen neuster, wissenschaftlicher Erkenntnisse z.B. bei der Traumaforschung, bei FAS, Verhaltensauffälligkeiten oder der Bindungstheorie zu erzielen.

 

Einheitliche, verbindliche Richtlinien und die Zusammenarbeit über die Landkreise hinaus, mehr überregionale Vermittlungen im Pflegekinderwesen für Thüringen waren die Ziele.

 

Der Landesverband ist bestrebt, über die Gebietsgrenzen hinaus in ganz Thüringen Pflegeeltern aber auch die nicht mehr im Fortbildungssystem der Jugendämter verankerten Adoptivfamilien, zu schulen und ihnen damit eine gute Verständnisbasis bzw. Kontaktangebote mitzugeben.

 

Kinder, die nicht die Möglichkeit haben, in der eigenen Familie aufzuwachsen, bedürfen einer besonderen Hilfe.

 

Gemeinsames Lernen, Verstehen aber auch sich trauen Missstände anzusprechen, in einer Gruppe, in der alle Teilnehmer wissen, was es für eine enorme Aufgabe ist Pflege- bzw. Adoptivkinder in die Familie aufzunehmen, bringt eine große Erleichterung, aber es gehört auch Mut dazu sich so zu öffnen. Dafür steht unser Landesverband.

 

Pflegeeltern zu sein, und das wissen alle, die hier im Raum sitzen, bedeutet, sich als ganzer Mensch in all seiner Kraft und seiner Privatheit einem Kind zur Verfügung zu stellen und mit diesem Kind eine Familie zu sein. Es bedeutet aber auch die leibliche Familie der Kinder zu akzeptieren, auf einer bestimmten Ebene in Einklang zu kommen bzw. wenn dies nicht möglich ist, den besten Weg für das Kind zu suchen. 

 

Aus der Erfahrung heraus kann man sagen, dass Pflegefamilien einen großen Bereich der Emotionen durchwandern. Die angenehmen Gefühle wie Zufriedenheit, großer Freude und Glück können jederzeit kippen und es geht bis hin zur Verärgerung, Frust, Verzweiflung und sogar Trauer. 

Und wir wissen alle, dass uns die Pflegekinder erhalten bleiben. Weit über die „Hilfe der Erziehung“ hinaus.  

Wir erleben mit ihnen Hochzeiten, Trennungen, Enkelkinder und diese immer wiederkehrenden

AUF und AB`s.

Wir werden an ihrer Seite stehen. Manchmal ganz nah und manchmal räumlich getrennt. Aber wir sind deren Eltern geworden und bleiben es bis zum letzten Atemzug. Auch die Berichte und Erzählungen sagen uns ganz deutlich, auch wenn der Kontakt abreißt, sind und bleiben die Monate oder Jahre der Beheimatung in unserer Familie, immer ein Teil der Kinder.

 

Um dies Gelingen zu lassen, bedarf es Fortbildungen, da Kinder, die in unsere Familien kommen, von ihren bisherigen, sehr schwierigen Lebensgeschichten geprägt wurden und diese Ereignisse tiefe Narben hinterlassen haben.

Sie werden diesen „Rucksack“ ihr Leben lang mit sich tragen aber Teile davon in einer gut funktionierenden und verlässlichen Pflegefamilie auspacken und neu sortieren.

 

Auch Adoptivkinder haben mindestens einen Verlust, der tief in der Seele eingebrannt ist, erlebt.

 

Aber auch Ablehnung im Mutterleib oder nicht gerade gesundheitsfördernde Lebensweisen während der Schwangerschaft sind auch hier  „Rucksäcke“ der Kinder und Jugendlichen.

 

Beide Lebenserfahrungen – also unsere, der Pflege- bzw. Adoptiveltern und der zu uns kommenden Kinder  -  treffen sich bei der Aufnahme und es bedeutet für alle Familienmitglieder ein gegenseitiges Verstehen, Akzeptieren und vor allem muss man lernen eine emotionale Bindung einzugehen, um eine Familie zu werden und Bestand zu haben.

Es bedeutet, dass man gemeinsam durch Dick und Dünn geht und dabei immer das Wohl des Kindes im Auge behält aber sich dabei nicht selbst vergisst.

Ein Balanceakt.

 

Wichtig auch daher die Fragen  – „Wo bleibe ich?“ ,  „Wie erhole ich mich?“  „Brauche ich Abstand ?

 

Auch unsere Kinder wurden zu Themen, durch fachorientierte Betreuer kindgerecht herangeführt. Wir boten Diskussionsrunden für die älteren Kinder und Jugendliche, sowie das Malen und Basteln, gemeinsames backen und spielen mit den Kleinen.

Aber einfach nur das Widersehen der einzelnen Kinder untereinander und das Gefühl, ich bin nicht allein der aus seiner leiblichen Familie musste, ist ein wichtiger Beitrag der Familienbildungen des LV und der fachgerechten Kinderbetreuung.

Manchmal sind es auch unsere Kinder, die die Pflege- bzw. Adoptivfamilie drängen zur Fortbildung zu gehen, damit sie sich wieder treffen können.

 

Mit dieser Mischung aus Theorie und Praxis hatten wir in der Vergangenheit sehr gute Erfahrungen gesammelt und dieses Konzept daher beibehalten und im Laufe der vielen Jahre verfeinert.

 

Ziel ist es, gemeinsam mit unseren Fachreferenten, die Sprache der Kinder, wie Mimik, Gestik, Körperhaltung und Bewegung zu verstehen.

Aber wir müssen auch die Hilferufe der Kinder wie Ängste, Konzentrationsprobleme, Entwicklungsrückstände, Essstörungen, Aggressionen, Klauen und Lügen deuten lernen. Auch Drogenmissbrauch und Alkohol kann ein Hilferuf der betroffenen Kinder sein.

 

Hier wollen wir die Familien durch die Zeit verschiedenen Phasen wie z.B. der Annäherungsphase, der Vertrauensbildung, der einzelnen Schulphasen, der schwierigen Phase der Pubertät oder der Betreuung junger Volljährigen und der Suche nach der Vergangenheit und den WARUM- Fragen begleiten.

 

Diese Begleitung ist sehr wichtig, da wir erleben, dass Pflege- und auch Adoptiveltern ihre Selbstzweifel und ihre Versagensängste in unseren Landesverband ansprechen und eine gemeinsame Lösungssuche erfolgt.

 

Wir erleben auch großes Interesse, wenn erwachsenen Pflege- oder Adoptivkinder über ihre Erfahrungen, Empfindungen von früher und ihren jetzigen Lebensweg erzählen. 

 

Die Gemeinschaft in Form von Stammtischen und die Fortbildungen in den Ortsgruppen aber auch auf Landesebene gibt der Familie Sicherheit, Geborgenheit und eine Plattform, um Erfahrungen und Erlebnisse auszutauschen.

 

Wir haben das Gefühl, dass wir eine Öffnung der Pflegeeltern erreichen und auch eine angstfreie Schilderung der Zweifel und eine Benennung, der innersten emotionalen Gefühle möglich wird.

 

Aber auch Projekte des Landesverbandes, wie z.B. das Biografie- Projekt „Lebenswege entdecken“ , die „Grundinfo Pflegekinder und ihre Bedürfnisse“, das Vormundschaftsprojekt, das Projekt „Pflegefamilie gewollt aber auch anerkannt!?“ um nur die umfangreichsten zu nennen, sind ein Stück Verbandsgeschichte.

Die Ausarbeitung wirkten positiv auf das Vereinsleben und sind eine enorme Bereicherung für unseren LV gewesen. 

 

Die Zusammenarbeit mit Henrike Hopp – moses online – und Herrn Prof. Huber hat uns sehr geprägt und das Weitermachen immer mit einem guten Gefühl untermauert.

 

Daher kam es auch immer zu Höhepunkten in Form von großen Familienbildung in den Jahren.

 

Wir hatten große FB in Kooperation mit dem JA Sömmerda über

 

- FASd mit Gerhild Landeck, lange Jahre im Vorstand „FASd Deutschland“ mit über 50 Teilnehmern,

- Frau Dr. Hoff- Emden auch über 50 Teilnehmer

- Frau Dr. Cappenberg mit mehr als 60 Teilnehmer….

 

- aber auch vergangenen FB in Nordhausen, dem ASB Mühlhausen und die regelmäßigen FB in Meiningen waren sehr erfolgreich.

                  Um nur einige zu nennen.

 

Hiermit geht auch ein Dank an unsere Haupt - Referenten Herrn El Assil Hirsch, Frau Sylvia Koppe und für die vergangenen päd. Sprechstunden von Frau Borrs - Bechtloff.

 

Diese Pädagogische Sprechstunde bieten wir mit großem Erfolg schon seit 2014 an.

Sie ist ein wichtiger Beitrag zum Gelingen des schwierigen Alltags und geht individuell auf die Bedürfnisse einzelner Familien ein.

 

Der LV kümmert sich in Zukunft auch weiterhin um einheitliche Richtlinien, Standards, Familienbildungen, Austausch mit den Jugendämtern, Podcast, das persönliche und telefonische Beratungsprojekt, die Mitgliederpost, Mitarbeit in der Arbeitsgemeinschaft Vollzeitpflege im Ministerium ….. und …. Und

 

Ich weiß garnicht, woher wir manchmal die Zeit, den Elan und die extreme Freude bei der ehrenamtlichen Arbeit genommen haben.

 

Daher auch einen Dank an unsere Familien – die außer dem Seitenhieb, mal ein Foto dazulassen, damit sie sich erinnern, wie man aussieht, alles über diese Jahre mitgetragen haben.

 

Aber auch einen großen Dank an die kleinen und großen Finanzspender, die Kuchenbäcker, Salatemacher, Organisatoren und Kinderbetreuer, ohne die unsere Vereinsleben nicht möglich wäre.

 

Ich habe bestimmt einige Ereignisse vergessen, die vielleicht in euren Köpfen steckt und erwähnenswert gewesen wäre.

Aber diese Ausarbeitung der Rede ist mir schwergefallen. Ein Teil von mir, ein Teil der gut funktionierenden Arbeitsweise fehlt mir und UNS, und das tut uns allen weh.

Aber gerade deshalb, um die Arbeit von Vera Schade und allen Mitgliedern des Verbandes zu würdigen, aber auch, um ein bisschen stolz zu sein, was man alles in der Gemeinschaft des Verbandes erreichen kann, haben wir heute diesen Tag in abgeänderter Form für Euch organisiert und auch dieses Kinderfest gestaltet.

 

So voller Optimismus, Freude und Spaß an Partys, so wie Vera es gerngehabt hätte, soll der Tag heute sein.

Also habt eine gute Fortbildung, … am heutigen Tag viel Spaß.

Auf die nächsten Jahre, die bevorstehenden Aufgaben und auch die Freude, für unsere Kinder da zu sein.  

 

Ich möchte meinen Vortrag mit einem Zitat von

J.W. Goethe beenden:

    „Jeder Augenblick im Leben ist von unendlichem

     Wert, denn er ist der Vertreter einer ganzen

     Ewigkeit“

 

 

 

Danke für die Aufmerksamkeit