Der Kläger begehrt als Träger der öffentlichen Jugendhilfe von dem Beklagten als Träger der Leistungen nach dem Opferentschädigungsgesetz (OEG) die Erstattung von Aufwendungen für Jugendhilfeleistungen in Form von Hilfe zur Erziehung für den Zeitraum vom 1. Juli bis 31. Dezember 2011 zugunsten des 1996 geborenen, also minderjährigen, Leistungsempfängers.
Die leibliche Mutter des Leistungsempfängers wurde vom leiblichen Vater des Leistungsempfängers am 2. August 2006 getötet, welcher hierfür am 20. April 2007 zu einer langjährigen Haftstrafe verurteilt wurde.
In der Zeit vom 1. September 2006 bis 31. Januar 2014 gewährte der Kläger dem Leistungsempfänger Hilfe zur Erziehung in Form von Heimerziehung nach §§ 27, 34 SGB VIII. Der Leistungsempfänger verfügte in dem eingeklagten Zeitraum über ein Sparguthaben, welches sich auf etwa 15.500 Euro belief.
Im Oktober 2006 beantragte der Kläger gegenüber dem Beklagten die Gewährung von Erziehungsbeihilfe gemäß § 27 Bundesversorgungsgesetz (BVG) und machte gegenüber dem Beklagten als vorrangig verpflichtetem Leistungsträger einen Erstattungsanspruch geltend. Im November 2009 bewilligte das Hessische Amt für Versorgung und Soziales zugunsten des Leistungsempfängers eine Beschädigtenversorgung nach dem OEG i.V.m. dem BVG. Der Beklagte erkannte im August 2011 gegenüber dem Kläger grundsätzlich seine Zuständigkeit zur Übernahme des geltend gemachten Bedarfs an und gab dem Erstattungsanspruch des Klägers für die Zeit vom 25. August 2006 bis zum 6. August 2014, der Vollendung des 18. Lebensjahres des Leistungsempfängers, statt, vorbehaltlich des Ergebnisses einer derzeit noch nicht abgeschlossenen Einkommens- und Vermögensüberprüfung.
Für den Zeitraum vom 25. August 2006 bis 30. Juni 2011 erstattete der Beklagte dem Kläger sodann die geltend gemachten Kosten, lehnte aber für den Zeitraum ab 01. Juli 2011 die Kostenerstattung ab, da aufgrund einer Änderung im BVG zum 01. Juli 2011 Ansparungen aus Leistungen nach dem BVG zum Vermögen zählten und einzusetzen seien und gleichzeitig der Vermögenschonbetrag überschritten sei.
Am 30. Dezember 2015 hat der Kläger beim Verwaltungsgericht Kassel Klage erhoben, welches die Klage mit Urteil vom 29. November 2016 abgewiesen hat.
Gegen das Urteil hat der Kläger 17. Januar 2017 Berufung eingelegt.
Die Berufung des Klägers wird als unbegründet zurückgewiesen. Dem Kläger stehe der geltend gemachte Erstattungsanspruch für den eingeklagten Zeitraum nicht zu.
Der Kläger hat die dem Leistungsempfänger geleisteten Jugendhilfeleistungen (§§ 27, 34 SGB VIII) als nachrangig verpflichteter Leistungsträger im Sinne des § 104 Abs. 1 S. 1 SGB X erbracht. Gemäß § 10 Abs. 1 SGB VIII sind Leistungen der Jugendhilfe gegenüber Leistungen nach dem OEG i.V.m. dem BVG nachrangig. Es bestand auch eine Leistungskongruenz zwischen beiden Ansprüchen.
Der Verwaltungsgerichtshof stellt fest, dass der Beklagte im eingeklagten Zeitraum jedoch selbst nicht zur Leistung verpflichtet gewesen sei, da der Einsatz von Vermögen aus angesparter Grundrente nach dem OEG i.V.m. dem BVG im Rahmen der Gewährung von Eingliederungshilfe nach § 1 Abs. 1 S. 1 OEG i.V.m. § 27d Abs. 1 Nr. 3 BVG gefordert werden könne. Ziel der fürsorgerischen Leistungen der Kriegsopferfürsorge sei nicht, einen Vermögensaufbau über die in der Kriegsopferfürsorge geltenden großzügigen Vermögenschonbeträge hinaus zu ermöglichen. Demzufolge seien den zu erbringenden Leistungen des vorrangig verpflichteten Beklagten für jeden einzelnen Monat des Erstattungszeitraums bei der Ermittlung des Umfangs der Leistungspflicht angespartes Vermögen gegenüber zu stellen.
Das Gericht führt aus, dass der Ausfall des Erstattungsanspruchs des Klägers seine Rechtfertigung in der grundsätzlichen Verschiedenheit der jeweiligen Leistungssysteme finde, welche unterschiedliche Regelungen zur Anrechnung von Einkommen und Vermögen hätten. In der Jugendhilfe stehe der pädagogische Bedarf im Vordergrund, welcher einkommens- und vermögensunabhängig sei. Die Kriegsopferfürsorge sei hingegen ein einkommens- und vermögensabhängiges Fürsorgesystem. Der Umfang des Erstattungsanspruchs richte sich gemäß § 104 Abs. 3 SGB X aber nach den Vorschriften, die für den vorrangig verpflichteten Leistungsträger gelten würden.
Wegen grundsätzlicher Bedeutung hat der VGH die Revision zum Bundesverwaltungsgericht zugelassen
Ausgangspunkt
Im Jahr 2017 gab es über 340.000 Kindschaftsverfahren vor deutschen Familiengerichten. In der Familiengerichtsbarkeit werden Entscheidungen getroffen, die oft erhebliche Auswirkungen auf die Biografien von Kindern und ihre Familien haben. Häufig handelt es sich um hochkonflikthafte Sorge - und Umgangsstreitigkeiten sowie komplexe Kinderschutzverfahren.
Familiengerichtliche Verfahren und Entscheidungen sollen sich am Primat des Kindeswohls und der Verhältnismäßigkeit orientieren. Doch werden die Rechte von Kindern nicht immer ausreichend gewahrt. Das staatliche Wächteramt erfordert einerseits, jedes Kind vor Gefährdung und Schaden zu schützen, und andererseits garantiert die Verfassung, die Integrität und das Erziehungsrecht von Familien zu achten. Diese Gratwanderung sowie die meist große Emotionalität, Hochstrittigkeit, Belastung, Vulnerabilität und oft eingeschränkte Ressourcenstärke vieler Betroffener stellen höchste Anforderungen an die Qualifikationen aller beteiligten Professionen. Diese müssen nicht nur die verfassungsrechtlichen Voraussetzungen, das Familienrecht, Familienverfahrensrecht, Kinder- und Jugendhilferecht und die Rechte aus der UN-Kinderrechtskonvention beherrschen, sondern auch über Einfühlungsvermögen und Erfahrungen im Umgang mit Kindern und Jugendlichen verfügen. Ebenso wichtig sind grundlegende Kenntnisse in Psychologie und Anhörungstechniken, gerade wenn es sich um kleine Kinder handelt, sowie ein klares Aufgaben-und Rollenverständnis in Abgrenzung zur anderen Profession.
In der 18. Legislaturperiode wurde eine Reform des Sachverständigenrechts verabschiedet. Sie schreibt unter anderem vor, dass nur noch bestimmte Berufsgruppen als Sachverständige im Familienrecht zugelassen sind. Zudem wurden Mindeststandards für Gutachten entwickelt, auf die die Gesetzesbegründung verweist. Dies können allerdings nur erste Schritte im Bemühen um eine umfassende Qualifizierung aller Akteure im Kontext der Familiengerichtsbarkeit sein.
Wichtig ist, eine offene Debatte über die Herausforderungen in der Praxis der Familiengerichte zu führen und über die besonderen Anforderungen an die Qualifikationen aller beteiligten professionellen Akteure zu diskutieren. Dazu möchte die Kinderkommission beitragen.
Das später adoptierte Kind wurde am 12. Juli 1997 vorzeitig geboren. Vater des Kindes war nicht der damalige Ehemann der Mutter, welcher mit drei weiteren leiblichen Kindern von dieser getrennt lebt. Anfang 1998 erklärte sich die Mutter bereit, das Kind zur Adoption frei zu geben.
Am 28. Januar 1998 erklärte die Mutter, dass der biologische Vater erheblich dem Alkohol zugesprochen habe und zumindest Kokain, Ecstasy und Haschisch konsumiert habe. Zu ihrem eigenen Konsum hatte sie erklärt, dass sie während der Schwangerschaft weder Drogen noch Alkohol zu sich genommen habe. Sie habe jedoch geraucht.
Beim in das Adoptionsverfahren eingebundenen Landschaftsverband Rheinland wurde in einem Vermerk festgehalten, dass in der letzten U-Untersuchung keine Probleme festgestellt werden konnten, lediglich Größe und Gewicht des Kindes seien deutlich unter der Norm, aber im Zusammenhang mit der Frühgeburt zu sehen.
Am 17. Juni 1998 erklärten die Mutter und ihr Ehemann als rechtlicher Vater ihre Einwilligung in die Adoption und das Kind wurde in die Pflegschaft der Klägerin und ihres Ehemannes gegeben. Auch im weiteren Verlauf stellte das Jugendamt des beklagten Kreises die unkomplizierte Entwicklung des Kindes fest.
Das Amtsgericht sprach durch Beschluss vom 5. August 1999 die Adoption aus.
Am 28. Oktober 2014 wurde bei der Adoptivtochter ein Fetales Alkoholsyndrom (FAS) diagnostiziert. Ursache eines FAS ist Alkoholkonsum der leiblichen Mutter während der Schwangerschaft.
Mit der Klage macht die Klägerin für die Zeit seit dem 1. Juli 1998 einen monatlichen Pflegegeldbetrag sowie Schadensersatz geltend.
Das Landgericht Bonn hat die Klage als unbegründet abgewiesen.
Ein Amtshaftungsanspruch gemäß § 839 Abs. 1 BGB i.V.m Art. 34 S. 1 GG wegen Verletzung der Ermittlungspflichten im Rahmen der Adoptionsvermittlung gemäß § 7 Abs. 1 AdVermG sieht das Gericht nicht gegeben. Aufgrund der Tatsachengrundlage seien die Mitarbeiterinnen und Mitarbeiter des beklagten Kreises nicht verpflichtet gewesen, weitere Ermittlungen hinsichtlich eines möglichen Alkoholabusus durch die biologische Mutter anzustellen.
Ein Amtshaftungsanspruch lasse sich auch nicht wegen einer Verletzung von Beratungs- und Mitteilungspflichten im Rahmen der Adoptionsvermittlung nach § 9 Abs. 1 AdVermG konstruieren.
Die Klägerin hat nach Auffassung des Gerichts nicht hinreichend vorgetragen, dass sie sich zum Zeitpunkt der Adoption anders verhalten hätte, wenn sie aus den Informationen, welche den Mitarbeitern des beklagten Kreises zur Verfügung standen, den Schluss gezogen hätte, dass die leibliche Mutter über ihren eigenen Alkoholkonsum während der Schwangerschaft gelogen hat und dass daher ein für sie nicht tolerierbares Risiko einer alkoholbedingten Schädigung bestand.
Darüber hinaus ist es nach Ansicht des Gerichts nicht erforderlich gewesen, vorsorglich über das Krankheitsbild FAS und die Folgen zu informieren. Das allgemeine Lebensrisiko bei einer Adoptionsvermittlung könne nicht durch die Begründung umfassender Aufklärungspflichten über alle denkbaren Entwicklungen auf die Adoptionsvermittlungsstelle übertragen werden.
Die Weiterentwicklung der Kinder- und Jugendhilfe sollte in der letzten Legislaturperiode im Kin-der- und Jugendstärkungsgesetz (KJSG) ihren Abschluss finden. Dieses Gesetz ist bisher nicht in Kraft getreten. Im Koalitionsvertrag steht, dass die Kinder- und Jugendhilfe auf der Basis dieses Gesetzes weiterentwickelt werden soll. Das dabei aus der Perspektive der Pflegekinderhilfe bedeutsame Thema ist die Sicherung der Kindesinteressen bei Fremdunterbringung. Was bedeutet dies?
Für alle behinderten Kinder sind entsprechende Angebote der Fremdunterbringung in Familien bedarfsgerecht auszugestalten. Dazu gehören außer den behinderungsspezifischen Bedarfen des Kindes auch Entlastungs-, Fortbildungs-, Beratungs- und andere Unterstützungsbedarfe der Pfle-geeltern. Für Kinder mit besonderem Bedarf im Bereich der Gesundheitsfürsorge sind Teile der Personensorge wie Gesundheitsfürsorge und das Recht Anträge zu stellen dringend an die Pflege-eltern zu übertragen. Wenn die Eingliederungshilfe Kostenträger ist, müssen die Ausführungsbe-stimmungen im SGB IX und XII den Regelungen aus dem SGB VIII §§ 36 bis 39 entsprechen. Die Zusammenarbeit der Ministerien und das Zusammenführen der Eingliederungshilfe und der Jugendhilfe sind unverzichtbar, um eine inklusive Kinder- und Jugendhilfe herbeizuführen.
Eine gute Vorbereitung und Unterstützung der Pflegefamilien braucht qualifizierte Fachkräfte, die ausreichende zeitliche Ressourcen haben. Die Unterstützung der Pflegeeltern, einschließlich Entlastungsangebote und Fortbildung, sind nach Bedarf zu finanzieren. Pflegefamilien agieren in einem Bereich unterschiedlicher Erwartungen. Daher sind den Pflegeel-tern Beratung und Supervision anzubieten. Dafür gilt das Wunsch- und Wahlrecht.
Pflegekinder haben ein Recht aber nicht die Pflicht auf Kontakt/Umgang mit ihren leiblichen Eltern. Die Anerkennung der Kinderrechte bei der Umgangsthematik bedeutet zwingend,
dass die Aussage des Kindes respektiert wird. Umgänge gegen den Willen und das Wohl des Kindes dürfen
nicht durchgeführt werden.
Kindesinteressen als Richtschnur bedeutet eine wertschätzende sozialpädagogische Arbeit mit den leiblichen Eltern. Elternverantwortung heißt Sensibilisierung für die
Entwicklungsbedürfnisse des Kindes. Sie haben nicht mehr die Aufgabe, den Alltag mit dem Kind zu gestalten. Sie müssen
akzeptieren, dass ihre Kinder andere Bindungen eingehen und brauchen dabei Unterstützung.
Pflegekinder, die schon länger in ihrer Pflegefamilie leben und sich gebunden haben, brauchen die familienrechtliche Anerkennung ihres Lebensortes. In dem Übereinkommen über die Rechte des Kindes vom 20. November 1989 wird im Artikel 12 explizit die Berücksichtigung des Kindeswillens zugesichert. Das betrifft insbesondere familiengerichtliche Entscheidungen zum Lebensort des Kindes.
Die Beteiligung von Kindern und Jugendlichen an der Hilfeplanung, halten wir für zwingend erforderlich. Sie bedeutet nicht notwendigerweise die Anwesenheit des Kindes beim
Hilfeplangespräch, sondern die Wahrnehmung seiner Interessen und Bedürfnisse. Dies hat in einer für das Kind angemessenen und verständlichen Form zu erfolgen.
Die schriftliche Dokumentation des Hilfeplangespräches und der Hilfeplan als Verwaltungsakt sind den Betroffenen, einschließlich den Pflegeeltern zeitnah zur Verfügung zu
stellen. Im Hilfeplan ist der Zusammenhang von Hilfebedarf und den Bedingungen der Hilfe deutlich erkennbar darzulegen.
Pflegekinder müssen mit 75 % ihres Einkommens die Jugendhilfe finanzieren. Das ist nicht im Sinne der Hilfegewährung. Die im KJSG Absenkung der Kostenbeteiligung auf 50% sowie ein Freibetrag von 150 € muss schnellstmöglich geltendes Recht werden.
Pflegefamilien werden in vielen Kommunen händeringend gesucht. Die soziale Absicherung von Pflegefamilien hat viele große Löcher. Für kleine Kinder ist, analog zum Elterngeld,
ein angemessener Beitrag aus der Jugendhilfe zu finanzieren.
Die momentane Regelung zur Alterssicherung reicht nicht aus. Es muss gewährleistet sein, dass Pflegeeltern nicht in Altersarmut rutschen, weil sie Pflegekinder aufgenommen
haben und deshalb ihre Berufstätigkeit ganz oder teilweise aufgegeben haben.
Die Haftpflichtversicherungen greifen bei Schäden, die Pflegekinder im Haushalt der Pflegeeltern verursachen, meistens nicht. Haftpflicht ist stets an Deliktfähigkeit
geknüpft. Diese ist im BGB geregelt.
Zwingend zu klären ist, wie Schäden reguliert werden, die Pflegekinder im Haushalt der Pflegefamilie anrichten.
Oktober 2018
Ansprechpartner:
PFAD Bundesverband e.V.: Dagmar Trautner, info@pfad-bv.de;
Bundesverband behinderter Pflegekinder e.V.: Kerstin Held, info@bbpflegekinder.de
AGENDAPflegefamilien: Sprecherin Renate Schusch; info@agendapflegefamilien.de
Haftpflichtschäden durch jugendliche Pflegekinder
Dieser Artikel wurde bei dem Workshop des Runden Tisches der Adoptiv- und Pflegefamilien auf dem 16.Kinder- und Jugendhilfetag im März in Düsseldorf etwas verkürzt vorgetragen. Für diesen Workshop hatte jeder der vier dem Runden Tisch angehörenden Bundesorganisationen ein Schwerpunktthema erarbeitet.
Die AGENDA Pflegefamilien hat sich seit geraumer Zeit mit diesem Thema beschäftigt und die Gelegenheit genutzt, um öffentlich darauf hinzuweisen. Für die AGENDA Pflegefamilien erarbeitet durch CAPE Landesarbeitsgemeinschaft NRW.
Pflegekinder und deren Pflegefamilien sind seit vielen Jahren unser Anliegen und wir möchten Sie noch einmal auf ein großes Problem aufmerksam machen.
Pflegeeltern bekommen Pflegekinder von Jugendämtern oder Trägern vermittelt, werden mit der Geschichte dieser Kinder konfrontiert. Pflegeeltern werden geschult und auf Probleme vorbereitet, die das Leben mit diesen besonderen Kindern verändert. Den Umgang mit Gerichten, Vormündern, Sozialarbeitern und Herkunftseltern lernen Pflegeeltern im Alltag kennen. Ebenso werden Erfahrungen mit Auffälligkeiten der Pflegekinder zur Normalität.
Erst wenn Probleme auftreten, die nicht mehr in diesen normalen Alltag passen fangen Pflegeeltern an zu überlegen, ob sie selbst Schutz genießen. Und um solche Probleme geht es hier.
Die meisten Erwachsenen verfügen über eine Haftpflichtversicherung, die spätestens dann abgeschlossen wird, wenn Kinder kommen. Wie schnell ist etwas passiert, der Fußball fliegt in die Scheibe der Nachbarwohnung, das Fahrrad streift das nachbarliche Auto usw. Dagegen kann man sich versichern – zumindest
ansatzweise.
Das Gesetz unterscheidet Haftung eines Schadensverursachers anhand des Alters und der Reife. Das heißt: ein unter siebenjähriges Kind ist nicht haftbar zu machen, sondern unterliegt der Aufsichtspflicht der Eltern, also, es ist für einen Schaden nicht haftbar zu machen, der Nachbar geht leer aus, es sei denn, Sie als aufsichtspflichtiges Elternteil sagen, dass Sie nicht aufgepasst haben, dann zahlt Ihre Versicherung.
Bei einem sieben- bis vierzehnjährigen Kind sieht das schon anders aus. Es wird geprüft, ob das Kind den Schaden hätte vermeiden können, ob es „reif“ genug ist zu verstehen, was es da evtl. anrichtet.
Und, ob Sie das Kind dahingehend belehrt haben, wie es solche Schäden vermeiden kann. Oder es käme wieder die „mangelnde“ Aufsicht ins Spiel und die Versicherung würde zahlen. Wird ein Kind vierzehn Jahre alt ändert sich in der Haftpflicht einiges. Ist das Kind nachweislich nicht einsichtsfähig, geistig behindert
o.ä. gelten die gleichen Bedingungen wie bei kleineren Kindern. Ist der Jugendliche jedoch als einsichtsfähig einzustufen, wird er „strafmündig“ und ist haftbar zu machen für alle Schäden, die er anrichtet.
D.h. der evtl. betroffene Nachbar kann verlangen, dass der Schaden erstattet wird. Entweder über eine Haftpflichtversicherung oder aber, wenn der Jugendliche absichtlich einen Schaden anrichtet, kann der Geschädigte die Begleichung des Schadens bei dem Jugendlichen einklagen.
Kommen wir nun zu Pflegekindern und ihren Pflegeeltern.
Schädigt das Pflegekind Gegenstände der Pflegeeltern, haben diese zunächst einen Anspruch gegen das Pflegekind selbst. Das Pflegekind haftet jedoch nicht, wenn es unter 7 Jahren alt oder wenn es unter 18 Jahren alt ist und ihm die nötige Einsichtsfähigkeit fehlt.
Die leiblichen Eltern und der Vormund können in der Regel nicht haftbar gemacht werden, da ihre Aufsichtspflicht auf die Pflegeeltern übertragen worden ist. Auch ein Anspruch gegen das Jugendamt scheidet aus. Das Jugendamt hat nur die Verantwortung für die ordentliche Auswahl, Instruktion und Überwachung der Pflegeeltern. Kommen Pflegeeltern ihrer Aufsichtspflicht nicht nach, können sie ihren Schaden nicht vom Jugendamt ersetzt verlangen mit der Begründung,
das Jugendamt hätte sie nicht ordentlich ausgewählt. Im Ergebnis haben Pflegeeltern daher nur einen Anspruch gegen das Kind. Haftet dieses nicht, bleibt der Schaden bei den Pflegeeltern.
Seit Jahren gibt es speziell für Pflegekinder und deren Pflegefamilien deshalb die Binnenversicherung. Die meisten von Ihnen werden diese kennen und vermutlich auch abgeschlossen haben. Einige Jugendämter haben sich dem angeschlossen, verstanden, dass da eine Lücke klaffte und haben ihre Pflegekinder in der
GVV gegen durch sie angerichtete Schäden innerhalb der Pflegefamilien versichert. Die Bedingungen sind die gleichen wie bei Schäden außerhalb der Pflegefamilie.
Wobei es durchaus zu einem merkwürdigen Verständnis von Pflegeelternschaft führen kann, wenn Sie als Pflegeeltern - nur um in den Genuss der Schadensübernahme durch die Haftpflichtversicherung zu kommen – Verletzung der Aufsichtspflicht einräumen (müssen).
Gravierend verändert sich die Sachlage, wenn ein Pflegekind 14 Jahre alt wird:
Sobald Pflegekinder vierzehn Jahre alt werden, nicht geistig behindert und als einsichtsfähig eingestuft werden sind sie für ihre Handlungen voll verantwortlich. Pflegekinder sind oft durch traumatische Erlebnisse eingeschränkt, oft aggressiv, wütend. Viele Pflegeeltern kennen zerstörte Möbel, kaputte Türen, demolierte Wände etc. Vieles wird von Pflegeeltern kommentarlos repariert, erneuert, manches über die Binnenversicherung mit deutlichen Einbußen reguliert.
Was aber passiert bei größeren oder ganz großen Schäden, die ein jugendliches Pflegekind absichtlich anrichtet?
Nehmen wir z.B. den sechzehnjährigen, noch mitten in der Pubertät steckenden, aggressiv aufgeladenen auf alle und jeden permanent wütenden Jugendlichen der gern zündelt. Ein Feuerzeug? Kein Problem, kann jeder an jeder Ecke kaufen, ist cool und hat jeder in der Tasche. Stellen Sie sich vor, sie und ihre Familie (vielleicht haben sie noch weitere Pflegekinder) schlafen.
Der sechzehnjährige Wüterich brennt in seinem Zimmer Papierchen ab, erst wenig, dann mehr, dann fängt die Gardine Feuer, fällt aufs Bett… ruckzuck steht das Zimmer, das Haus in Flammen. Sie und ihre Kinder können sich knapp aus dem Haus retten, stehen im Schlafanzug auf der Straße und müssen zusehen wie Ihr
ganzes Hab und Gut in Flammen aufgeht. Schlimme Vorstellung? Stimmt!
Aber was machen Sie jetzt? Sie kommen mit Ihren Kindern sicher für kurze Zeit bei Nachbarn, Freunden, Verwandten unter. Alle versuchen zu helfen. Auch das Jugendamt meldet sich und…nimmt ihre Pflegekinder in Obhut. Denn Sie sind obdachlos und Obdachlose und Pflegekinder passen nicht zusammen. Sicherlich wird das Jugendamt Ihnen für Ihre bisherige Arbeit danken, Ihnen alles Gute
wünschen und anbieten dass, sobald Sie wieder eine Wohnung haben und über „geordnete“ Verhältnisse verfügen erneut über Pflegekinder nachgedacht werden kann.
Hilft ihnen das? Sie sind immer noch obdachlos, Sie haben kein Haus mehr, keine Möbel, keine Erinnerungsstücke und… Sie haben auch niemanden, der diesen Schaden bezahlen wird. Sie haben alles verloren.
Denn derjenige, der den Schaden verursacht hat ist über vierzehn Jahre alt und strafmündig. Und er hat absichtlich dieses Feuer gelegt und deshalb kann und darf keine Haftpflichtversicherung den Schaden begleichen, so steht es im Gesetz! § 823 BGB (1) Wer vorsätzlich oder fahrlässig das Leben, den Körper, die
Gesundheit, die Freiheit, das Eigentum oder ein sonstiges Recht eines anderen widerrechtlich verletzt, ist dem anderen zum Ersatz des daraus entstehenden Schadens verpflichtet.
Fahrlässig verursachte Schäden lassen sich meist durch eine Haftpflichtversicherung (auch in der Binnenversicherung) absichern.
Für vorsätzlich angerichtete Schäden gibt es keinen Versicherungsschutz.
Ebenfalls im Gesetz steht, dass kein Jugendamt Schäden begleichen darf, die absichtlich von einem Jugendlichen über vierzehn Jahre angerichtet werden. Kommt eine Haftung nach § 832 BGB nicht in Betracht, ist eine Haftung des Jugendamtes im Rahmen der Amtshaftung möglich. Voraussetzung dafür ist,
dass das Jugendamt seine Aufsichts- oder Amtspflicht verletzt hat. Das Jugendamt hat jedoch keine Aufsichtspflicht bezogen auf das einzelne Kind, sondern eine "mittelbare Aufsichtspflicht". Es trägt also nur die Verantwortung über die ordentliche Auswahl, Instruktion und Überwachung der Pflegeeltern. Kommt das Jugendamt dieser mittelbaren Aufsichtspflicht hinreichend nach, haftet es
nicht.
Wenn Sie auf solchen Schäden nicht „sitzenbleiben“ wollen, können Sie den Jugendlichen verklagen, vielleicht haben Sie ja Glück und Ihr Pflegekind hat in einigen Jahren so viel Geld verdient, dass es Ihnen ein neues Haus kaufen kann. Bis dahin leben Sie sicher gern auf der Straße oder wo auch immer…? Wahrscheinlicher ist, Sie bekommen nie auch nur einen Cent. Auch ein Strafverfahren, das dem Jugendlichen wegen Brandstiftung droht, wird Ihnen nicht helfen, dem Jugendlichen weitere Kosten bescheren, evtl. einen Aufenthalt im Gefängnis.
Denn: Scheidet eine Haftung des Kindes, der Eltern, des Vormunds, der Pflegeeltern und des Jugendamtes aus, bleibt der Dritte auf seinem Schaden sitzen. Dies ist jedoch aufgrund von § 828 BGB, der einen Schutz des Kindes vorsieht, hinzunehmen !
Und: § 832 Abs.1 BGB Wer kraft Gesetzes zur Führung der Aufsicht über eine Person verpflichtet ist, die wegen Minderjährigkeit oder wegen ihres geistigen oder körperlichen Zustands der Beaufsichtigung bedarf, ist zum Ersatz des Schadens verpflichtet, den diese Person Dritten widerrechtlich zufügt. Die Ersatzpflicht tritt nicht ein, wenn er seiner Aufsichtspflicht genügt oder wenn der Schaden auch bei gehöriger Aufsichtsführung entstanden sein würde.
Hier haben wir gerade einen fiktiven Fall skizziert, der so oder ähnlich durchaus passieren kann und auch schon geschehen ist. Zugegeben, diese Fälle sind selten, darüber sind wir alle froh, aber eben nicht unmöglich.
Wesentlich häufiger gibt es die „kleineren“ Fälle. Da „leiht“ sich der Jugendliche ohne zu fragen das Auto der Pflegeeltern aus, fährt es zu Schrott. Können Sie zweifelsfrei nachweisen, dass Sie den Autoschlüssel so versteckt haben, dass niemand ihn finden kann?
Oder ein Jugendlicher zerstört den teuren Fernseher, oder die teure, maßangefertigte Tür geht zu Bruch.
Selbst wenn die Versicherung zahlt, tut sie das nur mit Abstrichen, Zeitwert heißt da das Zauberwort.
Ihnen wäre die Türe, so wie alle anderen in Ihrer Wohnung, vielleicht noch viele Jahre gut genug gewesen. Jetzt brauchen Sie eine neue, diese wird sich von den vorhandenen anderen evtl. unterscheiden. Und einen großen Anteil an den Kosten tragen Sie selbst. Es gibt viele dieser Beispiele, längst sind sie nicht mehr fiktiv, sondern bittere Realität, bestätigt durch Urteile bis hinauf zum Bundesgerichtshof.
Wir sind der Überzeugung, dass dieses Problem in Angriff genommen werden muss. Es ist uns klar, dass eine Änderung der Bürgerlichen Gesetzbuches speziell für diese oft uneinschätzbaren jungen Menschen in Pflegefamilien schwer vorstellbar ist, trotzdem müssen wir uns mit dieser Problemlage ernsthaft beschäftigen
- nicht nur die Pflegeeltern, und ihre Verbände, sondern auch die öffentlichen und freien Träger der Jugendhilfe, die Pflegekinder vermitteln und Pflegeeltern beraten und betreuen.
Wenn wir bisher auf dieses Thema hingewiesen haben, sind wir auf Sprachlosigkeit und Hilflosigkeit gestoßen.
Ein Versicherungsschutz kann nicht herbeigezaubert werden, das wissen wir. Ist aber ein anderer Schutz möglich? Etwas, was das bisher allein durch die Pflegeeltern zu tragende Risiko abmindern kann?
Durch wen oder was könnten Pflegeeltern ihre Schäden ersetzt bekommen? Wäre ein Fond denkbar?
Würde sich eine Stiftung der Angelegenheit annehmen können? Was könnten wir alle gemeinsam bewirken?
Auch wir haben noch keine Lösung, wissen aber, dass wir eine finden müssen!
In den letzten Jahren sind Träger der öffentlichen Jugendhilfe mehr und mehr dazu übergegangen, das Geld, welches den Pflegeeltern für eine Beeinträchtigung ihres Pflegekindes aus der Pflegeversicherung bezahlt wurde, auf das Pflegegeld im Rahmen der Vollzeitpflege anzurechnen.Es hat bereits mehrere Gutachten und Gerichtsverfahren in dieser Frage gegeben.
Nun hat das Bundesverwaltungsgericht in seinem Beschluss deutlich gemacht, dass eine solche Verrechnung nicht möglich ist, da eine Anrechnung des Pflegeversicherungsgeldes das den Pflegeeltern zustehende Pflegegeld nach § 39 SGB VIII vermindern würde - und es für eine solche Verrechnung keine gesetzliche Grundlage gibt.
Mit Blick auf den § 37. 2a SGB VIII
Die Art und Weise der Zusammenarbeit sowie die damit im Einzelfall verbundenen Ziele sind im Hilfeplan zu dokumentieren. Bei Hilfen nach den §§ 33, 35a Absatz 2 Nummer 3 und § 41 zählen dazu auch der vereinbarte Umfang der Beratung der Pflegeperson sowie die Höhe der laufenden Leistungen zum Unterhalt des Kindes oder Jugendlichen. Eine Abweichung von den dort getroffenen Feststellungen ist nur bei einer Änderung des Hilfebedarfs und entsprechender Änderung des Hilfeplans zulässig.
vertritt des Bundesverwaltungsgericht in seinem Beschluss die Meinung, dass diese Regelung
Dank an Rechtsanwältin Gila Schindler, die dieses Urteil erstritten hat und an den Bundesverband behinderter Pflegekinder e.V., die es als erster veröffentlicht haben.