Der Bundestag hat am 11. November 2022 in zweiter und dritter Lesung den Gesetzentwurf zur Abschaffung der Kostenheranziehung für junge Menschen im SGB VIII beschlossen.
Bisher wurden junge Menschen in der Kinder- und Jugendhilfe, die in einer Pflegefamilie oder einer Einrichtung oder sonstigen Wohnform der Kinder- und Jugendhilfe lebten und die ein eigenes Einkommen hatten, zu den Kosten der Leistung der Kinder- und Jugendhilfe aus ihrem Einkommen herangezogen. Dies galt auch für alleinerziehende Mütter oder Väter mit ihrem Kind, die in einer gemeinsamen Wohnform untergebracht waren (§19 SGB VIII). Der Kostenbeitrag konnte bis zu 25 Prozent des Einkommens betragen. Auch die Ehegatten und Lebenspartner der jungen Menschen und Leistungsberechtigten nach § 19 SGB VIII wurden abhängig von der Höhe ihres Einkommens zu den Kosten aus ihrem Einkommen herangezogen.
Das Gesetz sieht nun vor, die Kostenheranziehung bei jungen Menschen und Leistungsberechtigten nach § 19 SGB VIII sowie für ihre Ehegatten und Lebenspartner aufzuheben. Dadurch könnten die jungen Menschen und Leistungsberechtigten sowie ihre Ehegatten und Lebenspartner vollständig über das Einkommen, das sie erzielen, verfügen.
Der zur Anhörung vorgelegte Gesetzesentwurf wies bei der Ermöglichung von Teilhabe junger Menschen, die in einer Einrichtung oder Pflegefamilie leben und gleichzeitig eine Berufsausbildungsbeihilfe nach § 56 SGB III oder Ausbildungsgeld nach § 122 SGB III erhalten, eine Lücke auf. Nach bisheriger Regelung müssen diese jungen Menschen ihre kompletten Bezüge aus diesen Leistungen für die Kostenheranziehung einsetzen.
Durch die in einem Änderungsantrag hinzugefügten Änderungen in § 93 Absatz 1 Satz 3 SGB VIII wird die Lücke geschlossen und jungen Menschen in prekären Lebenslagen eine Chance für ihre finanzielle Selbstbestimmung eröffnet.
Am 16. Dezember 2022 steht das Gesetz auf der Tagesordnung des Bundesrates und es soll zum 1. Januar 2023 in Kraft treten.
Gesetzentwurf zur Abschaffung der Kostenheranziehung für junge Menschen im SGB VIII
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Die AGJ hat im Zusammenhang mit der Verabschiedung des Kinder- und Jugendstärkungsgesetzes im Sommer 2021 und der Reform des SGB VIII ein Positionspapier zur fachlichen und organisatorischen Weiterentwicklung der Kinder- und Jugendhilfe vorgelegt, welches Optionen zur schrittweisen Umsetzung eines inklusiven SGB VIII aufzeigt und Empfehlungen ausspricht. Thematisiert werden durch die inklusive Ausrichtung notwendige Anforderungen an Information, Beratung und Partizipation, an die Kooperation mit der Eingliederungshilfe, an den Kinderschutz sowie an die Jugendhilfeplanung und Qualitätssicherung. Zudem werden die Vorgaben zur Verbesserung der (zunächst) weiterbestehenden Schnittstelle zwischen SGB VIII und SGB IX-2. Teil und die neu einzurichtenden Stellen der Verfahrenslotsen aufgegriffen.
Positionspapier zur fachlichen und organisatorischen Weiterentwicklung der Kinder- und Jugendhilfe
Der AFET-Bundesverband für Erziehungshilfe e.V. hat ein Impulspapier zur fachlichen Diskussion zum Kinder- und Jugendstärkungsgesetz veröffentlicht. Beleuchtet werden die verschiedenen Ansätze des Gesetzes zur Stärkung von Kindern, Jugendlichen und ihren Familien. Dabei wird die Stärkung der Kinder und Jugendlichen sowie ihrer Familien durch subjektive Rechtsansprüche, die Stärkung von Strukturen durch Erweiterung objektiver Rechtspflichten, sowie der Schutz von Kindern und Jugendlichen durch Beschwerdemöglichkeiten behandelt. Außerdem wird die Stärkung von Kooperation durch gesetzliche Regelung und die Stärkung von guter Fachlichkeit durch offene Rechtsbegriffe hinterfragt. Als Fazit wird das neue SGB VIII als moderne, bedarfsgerechte und sogar zukunftsweisende Grundlage für gute fachliche Arbeit gesehen.
Impulspapier zum Kinder- und Jugendstärkungsgesetz aus juristischer Sicht
Liebe Interessierte,
aktuelle Studienergebnisse und Erfahrungsberichte aus dem Kinder- und Jugendschutz sowie der Familienhilfe unterstreichen, was bereits vor dem Beginn der Pandemie deutlich
war:
Gewalt, Vernachlässigung, Misshandlung und Missbrauch in Kindheit und Jugend geht uns alle etwas an.
Daher haben wir uns mit sieben Projekten in einem vom BMBF geförderten Netzwerk zusammengeschlossen und forschen seit 2019 an deutschlandweit insgesamt 30 universitären und außeruniversitären Einrichtungen zu dem Thema „Verhaltensstörungen im Zusammenhang mit Gewalt, Vernachlässigung, Misshandlung und Missbrauch in Kindheit und Jugend" Mehr Informationen. Ein Fokus unserer Forschungsarbeit liegt auf der Entwicklung und Evaluation neuer, evidenzbasierter Behandlungs- und Präventionsmethoden.
Um die Vernetzung unserer Forschungsarbeit mit den praktisch tätigen Berufsgruppen, den Betroffenen und auch den politischen Entscheidungsträger:innen zu stärken, planen wir für den 13. September 2022 in Berlin die interdisziplinäre Workshopkonferenz "Gemeinsam stark! Allianz gegen Gewalt und Vernachlässigung und deren Folgen".
Herzlich möchten wir Sie - Betroffene, Expert:innen und Fachleute - zu unserer Workshopkonferenz "Gemeinsam stark! Allianz gegen Gewalt und Vernachlässigung und deren Folgen“ am 13. September 2022 in Berlin einladen.
Wir freuen uns darauf, mit Ihnen an diesem Tag in unterschiedlichen praxisnahen Formaten (Workshops, Zukunftswerkstätten, Open Space) zusammen zu kommen, uns auszutauschen, und voneinander zu lernen. Unser Ziel ist es, die Unterstützung für Betroffene durch bessere Zusammenarbeit effizienter zu gestalten und mögliche Maßnahmen dafür zu formulieren.
Unsere Vision ist, dass wir durch die Konferenz und die Vernetzung mit Ihnen gemeinsam eine nachhaltige „Allianz gegen Gewalt“ etablieren.
Für das Forschungsnetzwerk,
Prof. Sabine Herpertz, Prof. Babette Renneberg und Prof. Regina Steil
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Die Arbeitsgemeinschaft Kinder- und Jugendschutz Nordrhein-Westfalen e.V. hat eine Broschüre zum Thema „Sexualisierter Gewalt im digitalen Raum begegnen“ herausgebracht und damit die bereits bekannte Broschüre „Cyber-Grooming, Sexting, sexuelle Gewaltverletzungen“ von 2019 überarbeitet und erweitert.
Sie richtet sich an pädagogische Fachkräfte und Eltern und möchte den Blick für die heutige digitale Sozialisation öffnen und junge Menschen befähigen, sich selbst im digitalen Alltag zu schützen.
Die Broschüre beschreibt die Mediennutzung von Kindern und Jugendlichen nach aktueller Studienlage und zeigt die vielfältigen Schnittstellen, wie sexualisierter Gewalt im digitalen Raum mit medienpädagogischen, gewaltpräventiven und sexualpädagogischen Ansätzen zu begegnen ist. Darüber hinaus bietet ein umfangreicher rechtlicher Teil einen Überblick zu den gesetzlichen Neuerungen im Jugendmedienschutz und im Sexualstrafrecht.
Broschüre zum Thema „Sexualisierter Gewalt im digitalen Raum begegnen“